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Rede

Was das Känguru von Marc-Uwe Kling zum „Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung von Sondervermögen zur Sicherung der Versorgungsleistungen" sagen würde

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

Rede von Jan Schalauske im Hessischen Landtag am 11. September 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –


Meine Damen und Herren!

Frau Präsidentin! /Herr Präsident!

In welcher Form das Land Hessen als öffentliches Gemeinwesen mit Steuergeld an den Finanzmärkten agiert, welche Rolle der Finanzminister dabei spielt, das ist in diesen Tagen Gegenstand der öffentlichen Debatte. Ich finde zu Recht. Darüber werden wir Morgen noch zu reden haben.

Heute sind aber nicht Zinsen auf Verbindlichkeiten des Landes Hessen bzw. Zinssicherungsgeschäfte das Thema, sondern heute geht es um die Frage, ob das Land Hessen Steuergelder renditeorientiert am Kapitalmarkt anlegen sollte.

Schon auf den ersten Blick wird deutlich wie kurios diese Situation ist: Auf der einen Seite hat das Land Hessen Schulden, auf der anderen Seite nehmen wir Steuergeld um es für die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten am Kapitalmarkt anzulegen.

Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass man dabei mehrere Ziele verfolgt die sich eigentlich widersprechen. Sie wollen sichere und gewinnbringende Geldanlagen in Milliardenhöhe. Doch damit nicht genug, die schwarzgrüne Landesregierung möchte noch das Etikett „Nachhaltig“ daran kleben.

Ich möchte dazu eine Episode aus einem Buch von dem Autor Marc-Uwe Kling erzählen. Die Passage stammt aus den Känguru-Chroniken.

Der Hauptcharakter, das Känguru, ein ziemlich subversives Kerlchen, geht in eine Bank und möchte eine halbe Million anlegen. Das Känguru hat verstanden, dass Geld nicht arbeitet, sondern Menschen. Und so erklärt es dem Bankberater kühl, dass es sein Portfolio gerne so hätte wie es seine Steaks mag.

Der Bankberater fragt verdutzt: „ah, ‘well-done‘?“

„Nein, nicht ‘well-done‘, blutig“, antwortet das Känguru.

Denn, so erklärt das Känguru dem verdatterten Bankberater: „Je größer die Ausbeutung, desto höher die Renditen.“

Und das ist das Problem mit angeblich „nachhaltigen Finanzprodukten“. Wirklich nachhaltige Finanzprodukte gibt es nicht und wenn doch, dann schadet es der Rendite. Das gilt auch für die Versorgungsrücklage. Im Finanzmarktkapitalismus ist das Streben nach Profit das alles dominierende Prinzip. Um den Renditeinteressen von großen und mächtigen Finanzinvestoren gerecht zu werden, werden Unternehmen zu Lasten der Beschäftigten umstrukturiert oder Immobilien aufgekauft, entmietet und in hochpreisige Eigentumswohnungen umgewandelt. Betongold nennen das die Fachleute.

Im zehnten Jahr der Pleite der Lehman-Bank müssen wir uns erinnern, welche zerstörerische Dynamik diesem ungerechten Wirtschaftssystem innewohnt. Und uns wollen Fondsmanager erklären, man könne im Rahmen eines solchen Systems gewinnbringend und ohne schlechtes Gewissen anlegen?

Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor, diese Strategie ist nichts anderes als Greenwashing und sonst gar nichts.

Unsere Fraktion hat vor einiger Zeit dazu die Landesregierung befragt. Die Regierung musste einräumen, dass Hessen an Banken beteiligt ist die auch an der Finanzierung der sogenannten Dakota Pipeline mitwirken. Diese Pipeline gefährdet das Trinkwasser in einem sogenannten Indianerreservat, dennoch gelten die beteiligten Banken als nachhaltig.

Immerhin flog VW 2015 aufgrund des Dieselskandals aus dem Index, allerdings mit dem unangenehmen Nebeneffekt von Verlusten, weshalb Hessen nun gegen VW klagt.

Und so heißt es dann auch in der Antwort auf unsere kleine Anfrage zu der angeblich nachhaltigen Investmentstrategie der Versorgungsrücklage:

„Eine ‚absolut‘ weiße Weste wird nicht gefordert, da dies in der Praxis zwangsläufig zum Ausschluss ganzer Wirtschaftszweige führen müsste. Die Unternehmen, in die das Sondervermögen investiert, sind aber in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur gegenüber anderen Akteuren ihrer Branche mindestens überdurchschnittlich aufgestellt.“

Meine Damen und Herren,

ein bisschen blutig ist eben immer noch blutig.

Entweder schraubt man die Kriterien so weit rauf, dass man beim Einsatz von Steuergeldern eine weiße Weste und zwangsläufig eine niedrigere Rendite ha oder man lässt es.

Und so geht es eben weiter, dass man zukünftig auch verstärkt in Immobilien investieren will, schließlich lässt sich mit Mieten ja gutes Geld verdienen.

Der Gesetzentwurf den wir nun heute vorliegen haben, will nun diese Geschäfte ausweiten und zukünftig noch mehr Steuergeld in Aktien und Immobilien stecken.

Ehrlich gesagt fehlt mir hierfür jedes Verständnis. Denn Steuergeld ist nach meiner Auffassung am Besten in öffentlichen Investitionen angelegt und nicht am Kapitalmarkt. Es ist nicht zu begreifen, warum in Hessen Schulen marode sind, Lehrerstellen fehlen, die Energiewende ausbleibt und der öffentliche Wohnungsbau seiner Aufgabe nicht gerecht wird, das Land Hessen aber gleichzeitig mit Milliardenbeträgen an den Kapitalmarkt geht.

Ich finde, wir sollten die Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten endlich auf solide Füße stellen. In Deutschland haben wir dafür eigentlich auch ein sehr gutes und stabiles System, nämlich die gesetzliche Rente. Ich weiß, Schwarzgrün will mit der Deutschlandrente auch die von einer kapitalgedeckten Rentenversicherung ersetzen, allein ich halte davon nichts.

Eines der großen Probleme dieser Rentenversicherung ist, dass leider einige Gruppen davon ausgenommen sind. Darunter auch die Beamtinnen und Beamten. Ich finde, statt die Pensionen der Beamtinnen und Beamten dem Risiko der Kapitalmärkte auszusetzen, sollten wir alle Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Das wird sicher nicht von heute auf morgen gehen, für viele braucht es Übergangsregelungen und niemand muss schlechter gestellt werden. Aber langfristig profitieren so alle.

Genauso wie alle davon profitieren würden, wenn wir öffentliches Geld in öffentliche Investitionen und nicht in einen Kapitalmarkt stecken würden.

Eines ist klar. Die Beamtinnen und Beamten leisten tagtäglich eine wichtige Arbeit für das Land Hessen. Das Land ist verpflichtet die Pensionen zu bezahlen. Auch ihre eigenen Ziele erreichen sie nicht. Die Erträge aus ihrer Kapitalmarktstrategie sind viel zu gering, die Verpflichtung gewaltig. Wir lehnen den Gesetzesentwurf ab.